Die Struktur der deutschen Bundespolitik führt zu verschiedenen Problemen: Während die Hauptarbeit in den Ausschüssen stattfindet, zahlt die Gemeinschaft bei der Aufrechterhaltung eines zentralisierten Bundestags hohe Kosten durch die Effekte der Erst- und Zweitstimmenwahl. 1 2 3 4 Da die Erarbeitung der Gesetze in den Ausschüssen stattfindet, in denen sich Abgeordnete für Themenfelder spezialisieren, stellt sich die Frage, warum im Nachhinein durch Abgeordnete, die nicht Experten im entsprechenden Thema sind, im Rahmen des Bundestags abgestimmt wird.
Wir fordern eine grundlegende Änderung des Wahlrechts auf Bundesebene und Anpassung des Art. 38 GG. Statt Erst- und Zweitstimme abzugeben, sollen Bundesbürger dazu ermächtigt werden, ihren politischen Willen direkt in die Ausschüsse zu tragen. Statt der themenübergreifenden Wahl einer Partei, der man möglicherweise nicht in allen Parteiprogrammpunkten zustimmt, können Parteien gezielt nach Ausschüssen gewählt werden. Dadurch werden die Ausschüsse zentrales Element politischer Wahlprozesse und werden dementsprechend verfassungsmäßig verankert. Die Direktwahl bestimmter Personen entfällt ebenso wie der Bundestag als politisches Instrument. Es soll weiterhin möglich sein, ohne großen Aufwand die eigene Stimme lediglich einer Partei zukommen zu lassen. Die 5%-Hürde soll jedoch für jeden Ausschuss einzeln gelten, sodass spezialisierte Parteien für einzelne Fachbereiche ermöglicht werden.
Durch die direkte Wahl der spezialisierten Ausschüsse sind diese in der Lage, den Willen der Bundesbürger in ihrem Resort umzusetzen und entsprechende Gesetze zu bestimmen. Jeder Ausschuss formuliert dafür Gesetze in ihm zugeordnete Bundesgesetze. Die Ausschüsse werden vorerst so angelegt, dass sie den vorhandenen Ministerien thematisch entsprechen. Vor Verabschiedung eines Gesetzes muss dieses durch die Ausschüsse bekannt gegeben werden. woraufhin andere Ausschüsse Betroffenheit anmelden können. Widerspricht der verabschiedende Ausschuss, wird dieser Anspruch durch eine unabhängige, judikative Instanz geprüft. Besteht ein Anspruch, erfolgt eine gemeinsame Erarbeitung und Beschluss des Gesetzes. Bei Verabschiedung wird für dieses ein Verweis in den betroffenen Gesetzen der anderen Ausschüsse geschaffen, um zukünftige Änderungsverfahren übersichtlich zu halten.
Dieser im Artikel 31 des Grundgesetzes festgelegte Grundsatz, gilt nicht in allen rechtlichen Bereichen, denn die sogenannte konkurrierende Gesetzgebung erlaubt es den Ländern, in speziellen Bereichen des Rechts das Bundesrecht zu brechen. 5 6 Logisch daran ist, dass bei speziellen Gegebenheiten der Länder in manchen Fällen eine Vereinheitlichung sinnlos ist. Ein Beispiel ist das Jagdrecht: Murmeltiere, die lediglich in den Alpen vorkommen, brauchen in Schleswig-Holstein weder Jagd- noch Schonzeiten. Wenn jeweils das Landesrecht gilt, ermöglicht das, das entsprechende Landesgesetz schlanker zu gestalten. Allerdings ist die aktuelle Lösung, dass in gewissen Rechtsbereichen Art 31 GG nicht gilt, selbst problematisch. Gerade für Laien wird durch eine Sonderregel zu einem grundlegenden Prinzip des Rechtsstaats die Einarbeitung in und ein Verständnis für das Recht erschwert.
Wir fordern eine Abschaffung der Art. 72 und 74 GG, um eine uneingeschränkte Gültigkeit des Art. 31 GG herzustellen. Die Ausschüsse der betroffenen Rechtsbereiche werden aufgefordert gemeinsam mit den Ländern zu erarbeiten, an welchen Stellen des Bundesrechts auf eine Ausarbeitung in den Landesrechten verwiesen werden soll. Dadurch können Bundesbürger darauf vertrauen, immer zuerst das Bundesrecht konsultieren zu können, und nur bei entsprechendem Verweis auf das jeweilige Landesrecht zurückgreifen zu müssen.
Ein grundlegendes Problem von Demokratien, die auf die Vertretung der Einzelstimmen durch Abgeordnete aufbauen, ist die Beeinflussung eben dieser Abgeordneten. Als gerechtfertigte Einflüsse gelten bei uns das Parteiprogramm einer etwaigen Partei sowie die freiheitlich, demokratische Grundordnung unseres Staates. Als ähnlich gerechtfertigt werden politische Kompromisse angesehen, die durch die Konsensbildung mit anderen Abgeordneten entstehen.
Unter dem Begriff Lobbyismus wird eine Form der Beeinflussung angesehen, die für die Vertretung des Willens der Wähler problematischer ist: Die Einzelinteressen von Organisationen und Konzernen, die Kapazitäten und Strukturen nutzen können, um zusätzlich zur Wahl Einfluss auf Politiker zu nehmen, ist in manchen Fällen unproblematisch. Politische Affären wie der Maskendeal 7 oder die mangelnde Bereitschaft bei einer Umsetzung ernsthafter Transparenzregeln zeigen immer wieder Probleme des gesellschaftlichen Schwachpunkts Abgeordnete. Eine Möglichkeit Politiker gegen Beeinflussung von außen zu stärken ist es, sie so gut zu bezahlen, dass zumindest finanzielle Anreize wenig erfolgsversprechend sind. Ob diese Taktik ausreichend ist, um Beinflussungsversuchen durch besondere gesellschaftliche Teilhabe an privaten Veranstaltungen oder ähnlichen Bevorzugungen, oder der Versuchung von noch mehr Absicherung durch Reichtümer vorzubeugen, wird an dieser Stelle angezweifelt.
Wir fordern daher eine strikte Fokussierung von Bundespolitikern, die ihre Arbeitszeit und die durch sie ausgeübte Interessenvertretung in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Dafür werden Politikern ab Aufnahme eines Bundesmandats und für mindestens 10 Jahre nach Niederlegung des Mandats folgende Regeln auferlegt: Bundespolitiker sind Diener des deutschen Volkes. Sie verzichten für ihre Tätigkeit auf jegliche Form des Eigentums und bekommen vom Staat eine Infrastruktur zur Sicherstellung ihres leiblichen und seelischen Wohls gestellt. Sie sind dem finanziellen System enthoben, besitzen weder Geld, noch geldwerte Äquivalente und beziehen die von Ihnen benötigten Güter indirekt über den Staat. Zur Sicherung der Interessen der Gemeinschaft sind Schenkungen zwei Jahre vor Aufnahme des Mandats zu unterlassen, ebenso ist eine uneingeschränkte Auskunft über die Überweisung von Geld und Gütern zu leisten. Verwandten ist während der Gültigkeit dieser Regeln untersagt Gelder, Positionen oder andere geldwerte Vorteile von Stakeholdern aus dem Aussschussbereich des Politikers zu erhalten. Sind sie bereits zwei Jahre vor Aufnahme des Mandats in einer entsprechenden Branche tätig, sind lediglich das Normalmaß übersteigende (Gelder, Güter und Beförderungen) untersagt. Bundespolitiker dürfen nach Niederlegung ihres Mandates frei der Berufswahl nachgehen. Auch nach Ablauf der 10 Jahres-Frist sind ihnen Schenkungen aus Branchen ihres Ausschussbereichs untersagt. Etwaige Dreieckshandel werden überprüft.
Jugendliche stehen an der Schwelle dazu, mündige Bürger zu werden. Damit einhergehend beginnt die Zeit, in der sie sich aktiv in die Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders einbringen wollen und dürfen. Ob die geltende Regel nach Art. 38(2) GG die Mündigkeit der Jugendlichen korrekt bestimmt, soll geprüft werden.
Wir fordern die Durchführung einer ausführlichen, deutschlandweiten Erhebung zum Beginn des aktiven Wahlrechts auf Bundesebene. Erhoben werden soll die Gruppe der Schüler ab der 8. Klasse aufwärts, bzw. der Auszubildenden vor Vollendung des 19. Lebensjahres. Inhaltlich sollen die eigenen wahrgenommenen Kompetenzen zur aktiven Beteiligung an demokratischen Prozessen erhoben werden, ebenso wie Kompetenzen, in welchen die Befragten ihrer Meinung nach nicht geschult genug sind. Die Ergebnisse der Befragung werden zur Gestaltung des Kernlehrplans Politik herangezogen. Nach entsprechender Kompetenzförderung stellt eine weitere Studie den neuen Status politischer Kompetenzen bei Schülern fest und eine Expertenkommission schlägt eine darauf basierende Anpassung des aktiven Wahlrechts vor.
Text zu Hintergründen fehlt
Wir fordern, dass die Papierwahl auf ein digitales, computergestütztes System umgestellt wird. Die Wahl erfolgt mit Hilfe des Personalausweises. Am Wahlort wird der Personalausweis aufgenommen und anschließend wird ein von den Personalausweisdaten losgelöstes Computersystem freigegeben. Die Wahlentscheidung der Bundesbürger wird in ein verschlüsseltes und vom allgemeinen Internet losgelöstes Datenverarbeitungssystem eingespeist. Für ein Äquivalent zur Briefwahl können Bundesbürger bis zu zwei Wochen im Vorhinein bei der lokalen Behörde an einem entsprechenden Wahlterminal ihre Stimme abgeben. Immobile Personen können eine Unterstützung durch Behördenmitarbeiter anfragen.
Die 5%-Hürde sorgt dafür, dass die Wahl von Kleinstparteien zu einem Verfall der eigenen Stimme führt. Um das zu verhindern, werden kleine Parteien teils nicht gewählt und stattdessen die Stimme an eine große Partei gegeben. Diese entspricht dann eigentlich nicht den Präferenzen des Wählers, ist aber aus taktischen Gründen begünstigt. Das muss nicht sein.
Wir fordern bei Beibehaltung der 5%-Hürde die Einführung einer Alternativstimme. Statt die eigene Stimme durch ein Kreuz kenntlich zu machen, sollen künftig mit einer “1” und einer “2” die eigenen Wahlentscheidungen kenntlich gemacht werden. Hierfür soll es ein übergeordnetes Feld geben, bei dem die eigene Stimme für die beiden Favouriten abgegeben werden kann. In diesem Feld werden alle Parteien angeführt. Für die Umstellung auf das Ausschuss-Wahlrecht wird dieses Feld von den einzelnen Ausschussfeldern gefolgt. Diese können vom Wähler einzeln aufgeklappt werden, um für einen Ausschuss spezifische Präferenzen anzugeben. Wird in einem Ausschuss keine Präferenz geäußert, gilt das allgemeine Feld. Wird in einem Ausschuss eine Präferenz geäußert, bricht diese für diesen speziellen Ausschuss das Ergebnis des allgemeinen Feldes.
Footnotes
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https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/bundestag-wahlrechtsreform-csu-100.html, aufgerufen am 2023-08-27 ↩
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https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bedeutet-ein-leerer-plenarsaal-gleich-faule-politiker,Qq4bsfT, aufgerufen am 2023-08-27 ↩
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https://steuerzahler.de/newsundservice/news/1-mrd-euro-fuer-den-groessten-bundestag/?L=0&cHash=3f4b04743986138c08fc3d6af86997bc, aufgerufen am 2023-08-27 ↩
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Boehl, Henner J. (2017). Zu viele Abgeordnete im Bundestag? In: Zeitschrift für Rechtspolitik, 50. Jahrg., H. 7. S. 197-201. ↩
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https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_31.html, aufgerufen am 2023-08-27 ↩
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https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_72.html, aufgerufen am 2023-08-27 ↩
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https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-politiker-maskendeals-millionen-provision-100.html, aufgerufen am 2023-08-27 ↩